Index für Inklusion
Ausgabe 1: Gremienarbeit
25 Fragen zum Abbau von Barrieren
Kapitel 1: Einführung
Was ist die Fachstelle Inklusion?
Die Fachstelle ist ein gemeinsames Projekt des Landesjugendrings Brandenburg e.V. und des Fachverbands Jugendarbeit / Jugendsozialarbeit e.V. Anlass ist die SGB VIII-Reform, die für die Jugendarbeit neue Herausforderungen bringt. Die Mission der Fachstelle ist der Abbau von Barrieren für die Teilhabe in der Jugendarbeit. Ihre Aufgaben sind: Begleiten, Beraten, Qualifizieren, Vernetzen und Unterstützen.
Was ist ein Index für Inklusion?
Inklusion ist sichtbare und gelebte Vielfalt überall in der Gesellschaft mit der Mission, Barrieren für die Teilhabe abzubauen. Der Index ist ein praxisnahes Werkzeug zur Umsetzung der gesetzlich verankerten Inklusion. Er ist ein Fragenkatalog für Fachkräfte und Ehrenamtliche in der Jugendarbeit, die ihre Schritte zu gelingender Inklusion überprüfen und als Folge anpassen wollen.
Wie funktioniert ein Index für Inklusion?
Sucht euch gemeinsam als Team Fragen aus, die ihr beantworten könnt/wollt. Besonders Fragen, die mit Ja beantwortet werden können, sind im Prozess wertvoll. Nehmt euch im Anschluss eine negativ beantwortete Frage aus einem Bereich vor, wo ihr aktuell Handlungsspielraum habt. Überlegt gemeinsam, wie ihr das Thema zukünftig angehen wollt, damit aus der Antwort ein Ja wird.
Warum ein Index für Inklusive Gremienarbeit?
Dieser Mini-Index ist Teil einer Reihe zu spezifischen Themen der Jugendarbeit. Mit jeder Ausgabe geben wir euch Anregungen, eure Aktivitäten Stück für Stück inklusiver zu gestalten. Die portionierte Aufbereitung soll helfen die Umsetzung von Inklusion zu vereinfachen und die Motivation zur Umsetzung zu erhöhen. Sprecht uns als Fachstelle sehr gerne an, wenn wir euch bei diesem Prozess begleiten dürfen.
Definition
Ein Gremium ist ein kooperatives Treffen mehrerer fachkundiger Personen mit dem Ziel, Positionen zu entwickeln, Informationen auszutauschen und Beschlüsse zu fassen, um Systeme weiterzuentwickeln. Für diesen Index erweitern wir die Definition auf alle fachlichen Austauschrunden, inkl. Beratungen und Meetings.
Kapitel 2: Vorbereitung
Frage 1: Ist es allen gleich wichtig, zusammen eine inklusive Kultur aufzubauen?
Es kann hilfreich sein, wenn eine feste Person aus der Organisation das Thema Inklusion besonders im Blick behält und den Rest des Teams motiviert, die Umsetzung gemeinsam anzugehen.
Inklusive Kultur bedeutet:
- Unterschiede als Normalität sehen Gerechtigkeit und Chancengleichheit herstellen
- Inklusion als Menschrecht anerkennen
- die eigene Haltung reflektieren
- ungerechte Privilegien hinterfragen
- Inklusion als Bereicherung für alle erkennen
- ungelebte Potentiale und Chancen entdecken
- in kleinen Umsetzungsschritten denken
- Inklusion als kontinuierlichen Prozess verstehen – Vielfalt leben – Freude am solidarischen Miteinander
Frage 2: Haben alle Mitglieder des Gremiums durch ihre Teilnahme das Gefühl, etwas bewirken zu können?
Werden Ziele und Mehrwert von Gremien regelmäßig überprüft?
Frage 3: Ist an Teilnehmende mit zu betreuenden Personen gedacht worden (kleine Kinder, zu pflegende Angehörge, etc.)?
Eine Betreuungsaufgabe bedeutet weniger Flexibilität. Es sollte daher u.a. auf ausreichenden zeitlichen Vorlauf geachtet werden.
Frage 4: Finden möglichst viele Perspektiven ihren Raum im Gremium (insbesondere von benachteiligten Gruppen)?
Sind bei Entscheidungen Vertretungen aller Personengruppen anwesend, die die Entscheidungen betreffen?
Frage 5: Enthält die Einladung alle wichtigen Informationen zur Vorbereitung?
Hilfreiche Informationen schaffen Vertrauen und Sicherheit.
Kapitel 3: Ort
Frage 6: Sind Toiletten, Wege, Möbel und Parkplätze am Gremienort behindertengerecht?
Sind alternative Lösungen mitgedacht, wenn Teile der Infrastruktur nicht behindertengerecht sind?
Frage 7: Ist der Gremienort auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar?
Nicht alle verfügen über ein Auto und sind daher auf Bus und Bahn angewiesen. Gibt es ggf. Möglichkeiten, Teilnehmende von weiter entfernten Haltestellen abzuholen?
Frage 8: Finden die Gremien an wechselnden Orten und Zeiten bzw. in verschiedenen Formaten statt?
Wechselnde Orte/Formate beugen ermüdender Routine vor und erhöhen die Erreichbarkeit und damit die Teilnahmewahrscheinlichkeit.
Frage 9: Gibt es am Ort eine Beschilderung, die zum Raum leitet?
Eine Mischung aus kurzem Text, Wegweiser/Piktogram und Kontaktnummer schafft Orientierung & Sicherheit für alle.
Kapitel 4: Rahmen
Frage 10: Sind alle gern in dem Gremium?
Ein Abgleich der Motive für die Teilnahme erhöht die Akzeptanz des Gremiums als Ganzes.
Frage 11: Wurde bei der Auswahl der Getränke/Snacks/Essen auf Unverträglichkeiten geachtet?
Es kann nicht jedem Wunsch/Bedürfnis entsprochen werden, aber das diese vorab abgefragt werden, ist eine Form von Wertschätzung.
Frage 12: Ist die Vorbereitung (Kaffee kochen, Technik aufbauen, Raum einrichten, etc.) gerecht in der Gruppe verteilt?
Wird die Erfüllung dieser Tätigkeiten immer nur von einer Person erwartet, kann diese das schnell als herabwürdigend empfinden.
Frage 13: Bietet das Gremium eine Atmosphäre, Kritiken und Konflikte offen ansprechen zu können?
Gibt es ein Beschwerdesystem, an das sich im Falle von Diskriminierung/Benachteiligung gewendet werden kann?
Jede Form einer weniger günstigen Behandlung (egal ob bewusst oder unbewusst) ist eine Benachteiligung, welche das Ausüben des Alltagsleben erschwert. Diskrimierung als systematische Form der Ungleichbehandlung liegt konkret vor, wenn Benachteiligungen direkt oder indirekt aus äußeren Merkmalen (Identität, Herkunft, Religion, Alter, Behinderung, etc.) abgeleitet werden. Diskriminierung existiert sowohl zwischen Menschen als auch in und durch Strukturen.
Kapitel 5: Moderation
Frage 14: Sind die Ziele der einzelnen Tagesordnungspunkte klar erkennbar?
Eine gut strukturierte Tagesordnung schafft Orientierung und hilft, die Sitzung effizient (zeitsparend und nachhaltig) zu gestalten.
Frage 15: Sind alle mit der Dauer des Gremiums einverstanden und ist die Endzeit klar kommuniziert?
(Arbeits-)Zeit ist kostbar und die Aufnahmefähigkeit eines jeden einzelnen ist unterschiedlich – dem gilt es Rechnung zu tragen.
Frage 16: Ist die Anzahl der zu behandelnden Themen auf 3 bis maximal 5 begrenzt?
Mehr Themen zu behandeln, ist weniger nachhaltig. Überwiegen Themen mit Diskussions-Charakter? Können reine Info-Themen besser über andere Kanäle kommuniziert werden?
Frage 17: Sind allen Teilnehmenden die gegenseitigen (besonderen) Bedürfnisse bekannt?
Werden die Mitglieder des Gremiums ermutigt, diese offen mitzuteilen, damit sich alle darauf einstellen können?
Kapitel 6: (An)Sprache
Frage 18: Ist es möglich, Einladungen und Protokolle in einfacher Sprache zu formulieren?
Einfache Sprache erhöht die Lesbarkeit für alle. Vor allem aber für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Personen mit Deutsch als Fremdsprache. Sie sollte als solche gekennzeichnet werden.
Frage 19: Wird geschlechtersensible Sprache verwendet?
Gibt es eine Strategie so zu gendern, dass sich nicht nur männlich gelesene Personen angesprochen fühlen und dennoch eine gute Lesbarkeit erhalten bleibt?
Frage 20: Wird Aktives Zuhören praktiziert?
Aktives Zuhören hilft die Bedürfnisse der Anderen besser zu verstehen und Missverständnissen vorzubeugen.
Frage 21: Haben auch zurückhaltenere Personen den Raum etwas beizutragen?
Wie wird darauf Rücksicht genommen, dass es in dem Gremium verschiedene Wissensstände und Fähigkeiten geben kann?
Kapitel 7: Medien
Frage 22: Werden sowohl visuelle, haptische wie akustische Methoden eingesetzt?
Verschiedene Sinneskanäle anzusprechen erhöht die Verständlichkeit und hilft bei der Strukturierung von Ideen & Ergebnissen.
Frage 23: Sind alle mit den eingesetzten Medien vertraut?
Wurde darauf geachtet, dass diese auf dem neuesten Stand und barrierefrei sind? Gibt es genug Anschlüsse im Raum? Kann ein Treffen in Präsenz auch spontan digital durchgeführt werden?
Frage 24: Wurde sich vorab über die Auswahl der Medien und einen sparsamem Einsatz verständigt?
Die Anzahl der eingesetzten Tools/Medien sollte auf ca. 3 beschränkt werden, um u.a. einer Reizüberflutung/Überforderung vorzubeugen
Frage 25: Sind die Protokolle so abgelegt und versendet, dass jederzeit wieder darauf zugegriffen werden kann?
Eine gute Erreichbarkeit und Lesbarkeit der Ergebnisse schafft Motivation, weiter an den Themen arbeiten zu wollen.
Download der PDF-Version des Index für inklusive Gremienarbeit (3MB)